Wie wach bist du?
Wie weißt du sicher, ob du gerade wach bist, träumst oder traumlos schläfst? Kann es nicht sein, dass du gerade träumst wach zu sein oder zu schlafen? Wie kannst du die Frage „Wie hast du letzte Nacht geschlafen?“ mit etwas wie „Oh, ich habe gut geschlafen“ beantworten, obwohl du dies nicht bewusst wahrgenommen hast? Und was wäre, wenn du diese Bewusstseinszustände bewusst wahrnehmen könntest?
Das sind wesentliche Fragen des Erwachens.
In der westlichen Welt sind wir nicht sehr erfahren im Realisieren von und im Umgang mit natürlichen Bewusstseinszuständen – obwohl wir seit Jahrtausenden Antworten auf diese Fragen für uns suchen und sich weltweit unterschiedlichste Formen und Traditionen der Meditation und Kontemplation herausgebildet haben.
Daher finden wir es für dich und uns alle wichtig, mehr über die natürlichen Bewusstseinszustände zu lernen und sich des Spektrums der Bewusstseinszustände bewusst zu werden.
Es geht uns um mehr Wachheit.
Zustände des Bewusstseins
Die Zustände unseres Bewusstseins sind so normal und omnipräsent, dass sie uns garnicht auffallen. Sie werden uns oft erst bewusst, wenn diese von den gewohnten Zuständen abweichen, z.B. beim Betrachten der atemberaubenden Schönheit bestimmter Naturphänomene oder bei der innigen Vereinigung mit einem anderen Menschen.
Dennoch bestimmt unser aktueller Zustand ganz wesentlich, was sich in unserem Bewusstseinsfeld zeigt. Es macht eben einen großen Unterschied, ob wir gerade zehn Biere oder zehn Becher Kaffee getrunken haben (in diesen Mengen möchten wir von beidem abraten).
Allgemein gesprochen bezeichnen Zustände des Bewusstseins was sich in meiner Innenwelt, meinem Bewusstseinsfeld zeigt. Dies kann z.B. das Wahrnehmen einer konkreten Sinnesempfindung (z.b. Wärme auf meiner Haut) oder eine Erinnerung an meine letzte Urlaubsreise sein.
Ungeachtet der Inhalte unterscheiden wir insgesamt fünf natürliche Bewusstseinszustände, von wir drei im Laufe jedes Tages mehr oder weniger bewusst erleben:
- Wachen – der Wachzustand unseres Alltagsbewusstseins
- Träumen – der Traum-Zustand, den wir erleben während wir träumen, kreativ sind oder unsere Phantasie anregen
- Schlafen – der Zustand während des traumlosen Schlafens, den wir typischerweise nicht bewusst mitbekommen
Darüber hinaus existieren zwei weitere Zustände, die wir typischerweise erst durch eine anhaltende Meditationspraxis realisieren:
- Turiya – der Zustand des Zeugen-Bewusstseins, dein wahres Ich, der Zeuge der formlosen Leere aus der alles entsteht und in die alles vergeht
- Turiyatita – der Zustand der reinen nondualen Einheit, Einheitsbewusstsein, Einssein des wahren Ichs mit dem Geist als solchem und dem ganzen Universum
Diese Zustands-Stufen des Bewusstseins zeigen sich in den meditativen Traditionen aller Zeiten und Weltgegenden.
Wie bewusst kannst du diese Zustände bereits wahrnehmen?
Aufwachsen und Erwachen
Für unsere menschliche Erfahrung ist beides gleichermaßen wichtig: Uns körperlich und seelisch gesund zu entwickeln und zu lernen die Welt so differenziert wie möglich zu betrachten – Aufwachsen – sowie, dass was ist, möglichst umfassend gewahr zu werden – Erwachen. Nur einen dieser Aspekte der menschlichen Entwicklung zu fördern führt, wie wir inzwischen wissen, nur zur halben Erfahrung des Menschseins.
Kurioserweise haben wir uns in der westlichen Welt auf das Aufwachsen spezialisiert und hier in den letzten 100 Jahren viele Erkenntnisse gewonnen, während lang bestehende Traditionen und Praktiken der Meditation und Kontemplation seit dem Mittelalter aus unserem Bewusstsein geschwunden sind.
Anders in Asien, wo seit jeher in vielen Gegenden Pfade der Erleuchtung beschritten und Meditation praktiziert wird mit der Absicht, die natürlichen Bewusstseinszustände möglichst umfassend zu realisieren.
Erst in jüngster Zeit wurde deutlich (insbesondere durch die Arbeiten von Ken Wilber), dass es sich bei Aufwachsen und Erwachen um zwei voneinander unterscheidbare Wege der menschlichen Entwicklung handelt, die oft miteinander verwechselt oder vermengt wurden – ohne dass klar war, was diese beiden Aspekte voneinander unterscheidet.
Deshalb hier nochmals in aller Klarheit:
- Erwachen – Zustände bestimmen was du wahrnimmst
- Aufwachsen – Strukturen bestimmen wie du dies interpretierst
Im Unterschied zum Aufwachsen, welches ohne eigenes Zutun geschieht, bietet sich der Weg des Erwachens nicht von selbst an und erfordert zumeist viel Engagement, Zeit und Einsatz (z.B. regelmäßige Meditationspraxis).
„Das, was nicht im traumlosen Tiefschlaf anwesend ist, existiert nicht wirklich.“
– Ramana Maharshi
Meditations-Praxis
Alle großen Meditations-Traditionen weltweit folgen, trotz ihrer kulturellen Unterschiede, Variationen dieser fünf natürlichen Zustände des Bewusstseins, die sprichwörtlich kultur-übergreifend und universell allen Menschen zur Verfügung stehen: manifest (wach), subtil (träumend), kausal (traumlos schlafend), bezeugend (reines Gewahrsein) und Existienz (nonduale Einheit).
Ziel der Meditations-Praktiken ist letztlich die reine Leere des nondualen Zustands zu realisieren. Dazu nehme ich alle Zustände mit Achtsamkeit und erwachendem Gewahrsein wahr. Ich identifiziere mich mit ihnen und transzendiere sie bis ich sie alle transzendiert habe. Im ultimativen nondualen Zustand sind schließlich alle Zustände in das erwachte Gewahrsein einbezogen.
Wenn Menschen sich auf den Pfad des Erwachens begeben und eine regelmäßige Meditations-Praxis aufnehmen unterliegen sie oft einem weit verbreiteten Irrtum, nämlich dass sie durch ihre Bemühungen und Anstrengungen früher oder später Erleuchtung erreichen könnten. Dabei übersehen sie, dass Erleuchtung nicht erlangt oder erreicht werden kann – sie war und ist schon immer da gewesen, wir müssen sie also nur realisieren bzw. wieder entdecken bzw. uns dessen gewahr werden.
Dunkle Nächte und spirituelle Krisen
Wenn wir uns auf den Weg zur Entwicklung und Transformation unseres Selbst begeben, geraten wir oftmals in spirituelle Krisen. Neue Ebenen mystischer Erfahrungen oder außergewöhnliche Bewusstseinszustände treten plötzlich auf, die uns überwältigen und verwirren und die oft mit einem Verlust unserer Identität einhergehen – der uns existenzielle Angst bescheren kann.
Wichtige Meilensteine auf dem Weg der Erleuchtung sind die so genannten Dunklen Nächte, welche die Übergänge zwischen dem manifesten, subtilen, kausalen und nondualen Zustandsbereich markieren. Jeder dieser Fälle ist gleichbedeutend mit Ent-Identifikation, Loslassen, Sterben, Transzendieren.
Die Dunkle Nacht der Sinne trennt den manifesten vom subtilen Zustandsbereich. Dies ist der Tod des manifesten Egos. Das Bewusstsein lässt seine exklusive Identität mit dem physischen Körper-Geist los und öffnet sich in den visionären Bereich des Subtilen.
Die Dunkle Nacht der Seele bezeichnet den Übergang vom subtilen zum kausalen Zustandsbereich. Damit verbunden ist der Tod der subtilen Persönlichkeit (oder Seele). Das Bewusstsein ent-identifiziert sich vom subtilen Bereich und geht in das transpersonale kausale Selbst über.
Die Dunkle Nacht des Selbst markiert den Übergang vom kausalen Zustandsbereich zur nondualen Einheit. Dies ist der Tod oder die Befreiung eines jeden bezeugenden Selbst und seine Freisetzung in das letztendliche nicht-duale Selbst.
Der Schwere möglicher spiritueller Krisen und dunkler Nächte kann oft am besten durch eine Sichtweise begegnet werden, die das Selbst auf das vorbereitet, was in seinem höheren Wachstum wahrscheinlich ist, und die es wissen lässt, dass das, was wie ein einfacher qualvoller Tod aussieht, in Wirklichkeit ein Tod und eine Wiedergeburt ist.
Wachen (manifest)
Der Wachzustand des Bewusstseins bezeichnet unser Alltagsbewusstsein. Hier regiert ein konkretes Ich in einer konkreten, gegenständlichen, „objektiven“ Welt der Materie, die wir mit unseren Sinnen unmittelbar wahrnehmen können.
Träumen (subtil)
Der subtile Traumzustand des Bewusstseins wird jede Nacht im Schlaf erfahren, in der so genannten Traumschlaf- bzw. REM-Phase (rapid eye movement), kann aber auch im Wachzustand selbst erfahren werden, z.B. bei Tagträumen, in kreativen Situationen, Improvisation etc. Hier regiert unser Traum-Ich eine subtile Welt der Phantasie ohne manifeste Beschränkungen. Im Traum bleiben wir immer noch „ich selbst“ (selbst wenn ich im Traum jemand anders bin), aber alles andere ändert sich gegenüber der manifesten Welt.
Schlafen (kausal)
Der kausale Zustand des traumlosen Tiefschlafs bezeichnet die Welt der kausalen Leere frei von allen subtilen Beschränkungen. Hier regiert das kausale Ich – dessen wir uns meist nicht selbst bewusst sind – die Welt der ersten Formen der Manifestation, die aus der Leerheit, Formlosigkeit emergieren und in diese vergehen.
Turiya (Zeuge)
Das Zeugen-Bewusstsein bzw. Turiya-Bewusstsein ist reines leeres Bezeugen oder unqualifizierbares reines Gewahrsein, selbst ohne Objekt, aber immer präsent, um sich aller manifesten, subtilen oder kausalen Objekte bewusst zu sein – frei von Gedanken, Objekten und Dingen in jedem Bereich (manifest, subtil, kausal) – aber fähig, sie alle mit reinstem Gleichmut oder Spiegel-Bewusstsein zu bezeugen.
Turiyatita (nondual)
Das nonduale bzw. Turiyatita-Bewusstsein ist der Zustand der reinen nondualen Einheit. Dies ist ein reiner, selbstloser, ultimativer nondualer Zustand der Existenz (suchness), Soheit (thusness) und Identität (isness). Einssein des wahren Ichs mit dem Geist als solchem und dem ganzen Universum durch Vereinigung des leeren Zeugen mit allen bezeugten Objekten, von Leerheit mit allen Formen, des bezeugenden Selbst mit allem, was bezeugt wird.
Gestern Nacht träumte ich
Gestern Nacht träumte ich,
– Zhuangzi
ich wär ein Schmetterling
und flog von Blume zu Blume.
Da erwachte ich und siehe:
Alles war nur ein Traum.
Jetzt weiß ich nicht:
Bin ich ein Mensch der träumte,
er sei ein Schmetterling,
Oder bin ich ein Schmetterling,
der träumt, er sei ein Mensch?
Wenn du mehr über den Pfad des Erwachens erfahren oder deine Zustandspraxis vertiefen möchtest, begleiten wir dich gerne.
- Information zu den natürlichen Bewusstseinszuständen und wie diese realisiert werden können
- Hilfe beim Verstehen und Integrieren von außergewöhnlichen Zustandserfahrungen
- Erkennen der eigenen Hindernisse und Herausforderungen deiner Zustandspraxis sowie von Übungen, diese zu meistern
- Einfühlsames Begleiten durch spirituelle Krisen und dunkle Nächten
- Heilen und „in Ordnung bringen“ unvollständig vollzogener Etappen deiner meditativen Entwicklung
- Therapeutisches Bearbeiten von psychischen Leiden, Ängsten und Traumata
- Begleiten von anstehenden Entwicklungsschritten (z.B. von einer rationalen zu einer pluralistisch-postmodernen Weltsicht)