Ein integrales Plädoyer für einen vernünftigeren Straßenverkehr in Deutschland
Wir kommen gerade von unserem Schweden-Urlaub zurück und sind begeistert und tiefen-entspannt.
Wieso?
Es gibt zahlreiche Gründe dafür – und einen Grund möchten wir mit euch teilen: der krass andere Straßenverkehr in Schweden – im Vergleich zu dem oft stressigen und teilweise aggressiven Treiben auf deutschen Straßen.
Wir waren insgesamt zwölf Tage und ca. 2.500 km mit einem Wohnmobil in Schweden unterwegs. Von Helsingborg die Westküste hinauf via Göteborg zu den Schären bei Lyskil, dann Richtung Vänernsee und Vätternsee und weiter nach Öland. Von dort nach Timmernabben, dann die Ostküste runter Richtung Karlskrona, Kåseberga, Ystad, Trelleborg und Falsterbro. Und schließlich von Malmö aus über die Øresundbrücke. Dabei haben wir die größeren Städte eher umfahren. Insofern beziehen sich unsere Beobachtungen zum Straßenverkehr vor allem auf den ländlichen Bereich.
Quadrivia – ein integraler Blick auf den schwedischen Straßenverkehr
Für unseren Reisebericht wenden wir ein integrales Tool an – eine Quadrivia. Wir betrachten den schwedischen Straßenverkehr dabei aus den vier verschiedenen Perspektiven eines integralen (bzw. integral informierten) Beobachters:
- Unsere Beobachtungen als unsere individuelle Außensicht (oben-rechts): Was beobachten wir im schwedischen Straßenverkehr? Wie lässt sich dies objektiv beschreiben?
- Soziale und funktionale Passung / Viabilität als kollektive bzw. systemische Außensicht auf die involvierten Systeme (unten-rechts): Wie fügt sich der schwedische Straßenverkehr funktional in seine Umgebung ein? Wie trägt er zu dieser Umgebung bei?
- Kultur und kulturelle Bedeutung als kollektive bzw. systemische Innensicht (unten-links): Was bedeutet der schwedische Straßenverkehr für die Schweden und ihr Wir-Gefühl?
- Unsere Gefühle als individuelle Innensicht (oben-links): Was denken wir (als Individuen) über den schwedische Straßenverkehr? Welche Gefühle verbinden wir damit?
Diese Quadrivia beschreibt damit systematisch die vier Quadranten des Phänomens „schwedischer Straßenverkehr“. Da keiner der vier Quadranten ausgelassen wird, erhalten wir eine integrale(re) Betrachtung dieses Themas als wenn wir nur eine oder zwei Perspektiven hervorheben. Wir wählen als Einstieg bewusst die individuelle Außenperspektive und gehen die Quadrivia von dort im Uhrzeigersinn durch. Dort wo es uns geeignet erscheint ergänzen wir Vergleiche mit dem deutschen Straßenverkehr.
Unsere Beobachtungen
Was also lässt sich auf schwedischen Straßen direkt beobachten?
- Rechtsverkehr – es gilt Rechtsverkehr wie auch in Deutschland.
- Tempolimits – im Unterschied zu Deutschland ist das Tempo auf Autobahnen und Schnellstraßen auf maximal 120 km/h begrenzt. Auf kleineren Straßen außerorts ist das Tempo zwischen 70 und 90 km/h und in Ortschaften auf maximal 50 km/h begrenzt. In vielen kleineren Ortschaften darf maximal 40 km/h gefahren werden.
- Geschwindigkeitsbegrenzungen mit Ansage – Geschwindigkeitsbegrenzungen werden durch entsprechende Schilder mit Angabe der noch verbleibenden Strecke angekündigt. Auf diese Weise kann frühzeitig die Geschwindigkeit auf das entsprechende Maß reduziert werden.
- Verkehrskameras mit Ansage – Stationäre Blitzer werden in Schweden rechtzeitig angekündigt. Dies hat zur Folge, dass die allermeisten Autofahrenden ihre Geschwindigkeit entsprechend reduzieren. Wer es nicht tut, trägt die Konsequenzen seiner Unaufmerksamkeit oder Ignoranz. Anstatt also unangekündigte Blitzanlagen zu betreiben, die schlimmstenfalls (z.B. durch spontane Vollbremsungen) die Verkehrssicherheit negativ beeinträchtigen, haben sich die Schweden für ein Netz aus mehr als 2.250 einheitlich aufgebauten und zentral gesteuerten kleinen Verkehrskameras entschieden, die zuvor angekündigt werden.
- Kaum Überholer – Wenn sich überwiegend alle Verkehrsteilnehmenden an die jeweiligen Geschwindigkeitsbegrenzungen halten, entsteht einfach kein Bedürfnis, das voranfahrende Fahrzeug zu überholen. Dies reduziert das Risiko von Unfällen bei Überholmanövern drastisch. Wir sind in den ganzen zwölf Tagen mit unserem Wohnmobil – von zweispurigen Autobahnen abgesehen – nur insgesamt zehnmal von anderen überholt worden, vier davon waren BMWs.
- Ausreichend Abstand – Wenn alle ein sehr ähnliches Tempo fahren und nicht das Bedürfnis haben, andere zu überholen, entspannt sich der Verkehrsfluss insgesamt. Die meisten Autos halten ausreichend Abstand zueinander, so dass bei Notfällen ausreichende Bremswege vorhanden sind. Drängeln und Auffahren konnten wir nur sehr selten beobachten.
- Kreisel statt Ampeln – auch wenn sich Kreisel erfreulicherweise in Deutschland zunehmend verbreiten, finden sich in Schweden Kreisel auch an Stellen, wo wir in Deutschland weiterhin Ampeln haben. Größere Landstraßen (bei uns Bundesstraßen gleichend) werden regelmäßig durch teilweise zweispurige Kreisel unterbrochen, die es den Verkehrsteilnehmern (auch Passanten) erlauben, sich gefahrlos und einfach in den Verkehr einzufügen. Im Unterschied zu Ampeln funktionieren Kreisel ohne Strom und permanent, zudem geht mit ihnen ebenfalls eine natürliche Reduktion des Fahrttempos einher.
- 2+1 Straßen – eine originäre Erfindung der Schweden – genauer von Claes Tingvall, dem Initiator der schwedischen Vision Zero Strategie, auf die wir weiter unten noch eingehen werden. 2+1 Straßen sind Landstraßen mit abwechselnd ein- und zweispurigen Fahrbahnen in einer bestimmten Richtung und einer flexiblen mittleren Barriere, z. B. aus Kabeln oder einem Balken.
- Ausweichspuren statt Überholspuren – in einigen Landesteilen haben wir vermehrt Ausweichspuren gesehen, so dass langsamere Fahrzeuge rechts zur Seite fahren können, um die dahinter fahrenden Autos vorbeizulassen. Nun könnte man fragen, was den Unterschied zu Überholspuren ausmacht. Vielleicht ist dies nur ein psychologischer: Bei Überholspuren erhöht der Überholende typischerweise das Tempo, ggf. auch über das zulässige Maß hinaus. Bei Ausweichspuren hingegen reduziert das langsamere Fahrzeug sein Tempo ggf. weiter, während die anderen Autos ohne Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeit vorbeifahren können. Langsamere Fahrzeuge die bereitwillig Platz machen, erfahren so positive Aufmerksamkeit von ihren Mit-Verkehrsteilnehmern.
- Profilierte Fahrbahnmarkierungen – Die meisten Fahrbahnen sind gut und sichtbar markiert. Oft wirkten sie wie kürzlich neu aufgebracht. Auffallend sind die vielen eingefrästen Rüttelstreifen in der Fahrbahnmitte, die die Fahrstreifen spür- und hörbar voneinander trennen. Teilweise wurden auch die Randmarkierungen entsprechend eingefräst. Damit verringert sich das Risiko von Unfällen durch Abkommen von der Fahrbahn bzw. dem eigenen Fahrstreifen erheblich.
- Getrennte Fahrstreifen – um riskante Überhol-, Linksabieger- und Wende-Manöver zu vermeiden, sind die Fahrstreifen auf Schnellstraßen und größeren Landstraßen (auf Autobahnen ohnehin) häufig durch einen befestigten Mittelstreifen voneinander getrennt.
- Spezielle Straßenführungen für Linksabbieger und Wende-Manöver – um die Gefahr von Unfällen zu reduzieren, finden sich auf Schnellstraßen und größeren Landstraßen spezielle Buchten und Straßenführungen, die den betreffenden Fahrer mit Abbiege- oder Wendewunsch zunächst auffordern die aktuelle Straße nach rechts zu verlassen. Das Fahrzeug wird dann entsprechend so geleitet, dass die soeben verlassene Straße im rechten Winkel überquert werden kann (einer Kreuzung gleichend). Auf diese Weise behindert der betreffende Fahrer andere Verkehrsteilnehmer weniger und kann einen geeigneten Zeitpunkt zum Überqueren der Straße besser und sicherer abschätzen.
- Breite Randstreifen – die Randstreifen (zwischen Fahrbahn und Fahrbahnkante) sind insbesondere bei Landstraßen oft so breit, dass ein passabler Streifen entsteht, der von Moped- und Radfahrern sowie Passanten genutzt werden kann und diese nicht dazu zwingt direkt auf der Fahrbahn zu gehen bzw. fahren.
- Bumps – zur Verkehrsberuhigung in Ortschaften und Wohngebieten werden weit häufiger als in Deutschland Bremsschwellen eingesetzt, oft auf einem Streckenabschnitt auch mehrere Bremsschwellen hintereinander. Durch eine rechtzeitige Ankündigung können Autofahrer ihr Tempo entsprechend verringern und diese Bremsschwellen überqueren ohne Schäden am Auto befürchten zu müssen. Es ist einfach vernünftig, sein Auto (und seine Insassen) entsprechend zu schonen.
Soziale und funktionale Passung schwedischer Straßen-Verkehrsvorschriften
Ende der 1990er entschied sich Schweden, die ursprünglich aus dem Arbeitsschutz kommende Vision Zero auf den Bereich des Straßenverkehrs anzuwenden. Diese präventive Strategie stellt Leben und Gesundheit in das Zentrum ihrer Bemühungen und vereint verschiedene Ansätze mit dem Ziel, Unfälle, Verletzungen und Erkrankungen des Menschen zu verhindern. Ausgehend von der Grundannahme, dass Menschen Fehler machen, wurden die Verkehrssysteme entsprechend (um-) gestaltet, dass diese Fehler nicht zu lebensbedrohlichen Verletzungen oder Erkrankungen führen.
Seit 1997 verfolgt die schwedische Regierung das Ziel, bis 2015 alle schwedischen Straßen nach diesem Prinzip zu gestalten. Die oben geschilderten Beobachtungen sind also ein direkter und sichtbarer Ausdruck dieser Bemühungen.
Weniger im Straßenbild direkt beobachtbar, gleichwohl ebenfalls sehr wichtig ist die Gestaltung der Straßen-Verkehrsvorschriften mit einem klaren Fokus auf Verkehrssicherheit.
Dies drückt sich unter anderem in hohen Bußgeldern sowie einem Netz aus kleinen, zentral gesteuerten Verkehrskameras bei relativ geringen Investitionen und Betriebskosten für deren Betrieb sowie zahlreichen Sicherheits-Verbesserungen an den Fahrzeugen aus (die auch anderen Ländern zur Verfügung stehen). All dies zusammen genommen hat u.a. auch positive Auswirkungen auf die Verkehrsstatistik und die CO2-Bilanz.
Hohe Bußgelder – Waren bis zu 50 km/h erlaubt drohen mindestens 180 EUR Bußgeld, waren mehr als 50 km/h erlaubt kann ein Bußgeld von mindestens 140 EUR folgen. Bereits 10 km/h zu viel ziehen mindestens 150 Euro nach sich. Ab einer Überschreitung der Geschwindigkeit ab 20 km/h zu viel droht ein Bußgeld von über 250 EUR. Bei Überschreitungen über 50 km/h kann ein Bußgeld von über 420 EUR folgen. Auch Alkohol am Steuer wird hart bestraft. Wer mehr als 0,2 Promille im Blut hat muss mit saftigen Strafen rechnen. Ab 0,3 Promille wird der Führerschein direkt von der Polizei für zwei bis zwölf Monate eingezogen. Jeder Fall wird einzeln vom Gericht beurteilt und mit einer Geld- oder Haftstrafe von 40 Tagessätzen und mehr belegt.
Verkehrskameras – Schweden betreibt ein Netz aus mehr als 2.250 einheitlich aufgebauten und zentral gesteuerten kleinen Verkehrskameras. Die Verkehrskameras werden von einem Kontrollzentrum in Kiruna aus ferngesteuert aktiviert und deaktiviert. Ob die Kameras aktiviert werden oder nicht, hängt von der Unfallbelastung und der Verkehrsintensität auf dem betreffenden Straßenabschnitt ab. Die Kameras sind also nicht alle gleichzeitig aktiv, so dass keiner genau weiß, ob eine Geschwindigkeitsüberschreitung geahndet werden würde oder nicht. Nun könnte man denken: Wozu dann in einen Blitzer investieren, wenn dieser nicht oder nur selten zum Einsatz kommt?
Die Antwort: Die Schweden wollen, dass so wenige Menschen wie möglich ein Bußgeld bekommen.
Die Schweden verfolgen mit ihren Verkehrskameras nicht das Ziel, den Betreibern hohe Einnahmen zu bescheren, sondern die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern.
„Es geht um eine entscheidende Wende. Glauben wir, dass der schwedische Fahrer ein böser Mensch ist, der bestraft werden muss, oder ein guter Mensch, der Hilfe braucht, um das Richtige zu tun?“
– Anders Wiman, schwedischer Verkehrsexperte
Das System ist respektvoll gestaltet und wird nicht mehr als eine Form der Kontrolle gesehen. Gut sichtbare Blitzer retten jährlich etwa 30 Menschenleben.
Dies erklärt auch, dass Schweden bei einem mit Deutschland vergleichbaren Straßenverkehrsnetz mit nur der Hälfte der Blitzer auskommt. In 2021 kamen in Deutschland auf ca. 625.000 km Straßennetz 4.686 Blitzer, also eine Blitzanlage alle ca. 133 Straßenkilometer. Dem gegenüber waren dies 2.266 Blitzer in Schweden bei einem Straßennetz mit ca. 573.000 km Länge. Dies entspricht einer Blitzanlage alle ca. 250 Straßenkilometer. Auf die Landesfläche bezogen betreibt Deutschland mit 12,8 Blitzanlagen auf 1.000 km2 ebenfalls deutlich mehr Blitzanlagen als Schweden mit 3,8 Anlagen je 1.000 km2.
Hinzu kommen krasse Unterschiede bei den Investitionen. Die Investitionen in eine deutsche Blitzanlage belaufen sich – je nach Ausstattung – auf zwischen 65.000 € bis 250.000 € während Schweden aufgrund ihrer Standardisierungs- und Zentralisierungsstrategie für eine Blitzanlage nur ca. 29.000 € ausgibt. Für die Betriebskosten können insgesamt und auch pro Anlage entsprechende Kostenvorteile für Schweden angenommen werden. Wegen der zentralen Anlagensteuerung in Schweden kann zudem davon ausgegangen werden, dass mit dem Betrieb der Blitzanlagen keine Wirtschaftsinteressen auf kommunaler Ebene verfolgt werden wie dies in Deutschland oft der Fall zu sein scheint.
Sicherheits-Verbesserungen an den Fahrzeugen – Schwedens Verkehrsteilnehmer profitieren natürlich von den weltweiten Bemühungen der Automobilhersteller, die Sicherheit der Fahrzeuginsassen und zunehmend auch der beteiligten Verkehrsteilnehmer kontinuierlich zu verbessern. Um nur einige Highlights zu nennen: die Knautschzone und der Dreipunkt-Gurt (1959), Tagfahrlicht-Pflicht in Finnland und rückwärtsgerichteter Kindersitz (1972), Kinder-Sitzkissen für Dreipunkt-Gurt sowie Anti-Blockier-System (ABS) (1978), Fahrer-Airbag und Gurtstraffer (1981), Seitenaufprallschutz (SIPS) (1986), Regensensor und Lichtautomatik (1994), das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) (1995) – wir erinnern uns alle an den so genannten Elchtest der A-Klasse von Mercedes Benz – und Kurvenlicht (2005). Seitdem und bis heute verbessert die Automobilindustrie die Sicherheit ihrer Fahrzeuge weiter. Viele Innovationen wurden von deutschen Ingenieuren entwickelt, aber auch schwedische Ingenieure haben viel zur Fahrzeugsicherheit beigetragen.
Für Schweden spielt dabei der Hersteller Volvo (und bis 2012 auch Saab) eine besondere Rolle. Volvo hat schon sehr früh seinen Fokus auf die Sicherheit ihrer Fahrzeuginsassen und anderer Verkehrsteilnehmer gerichtet und entsprechend viel zu den Sicherheitsinnovationen beigetragen. Seit 2009 strebte Volvo mit seiner „Vision 2020“ als erster Automobilhersteller aktiv das Ziel an, bis ins Jahr 2020 in einem Volvo niemand mehr verletzt oder gar getötet werden sollte. Wenngleich dieses Ziel auch heute noch nicht vollständig erreicht ist, arbeiten die Volvo-Ingenieure weiter kontinuierlich an so genannten „no-crash cars“, die schrittweise immer „intelligenter“ und „vorausschauender“ werden um künftig Kollisionen gänzlich zu vermeiden.
Verkehrsstatistik – Aufgrund der seit 1997 verfolgten Vision Zero befindet sich Schweden seit vielen Jahren unter jenen Ländern mit den wenigsten Verkehrstoten je 100.000 Einwohner sowie je 100.000 motorisierte Fahrzeuge weltweit. Nach Auskunft der WHO und bezogen auf das Jahr 2016 belegt Schweden in diesen Disziplinen dem 6. und 5. Platz. Im Vergleich rangiert Deutschland hierbei auf dem 13. bzw. 10. Platz. Laut EU hat Schweden neben Malta auch in 2021 nach wie vor die sichersten Straßen mit 18 Verkehrstoten pro 1 Million Einwohner. Deutschland lag in 2021 bei 31 Verkehrstoten pro 1 Million Einwohner. Auf schwedischen Straßen, auf denen Verkehrskameras eingeführt wurden, ist die Zahl der Verkehrsunfälle mit Toten und Schwerverletzten um 20-30 % deutlich zurückgegangen.
CO2-Bilanz – Auch mit Blick auf die durch Straßenverkehr bedingten klimaschädlichen CO2-Emissionen kann Schweden als Vorbild für Deutschland dienen. Unter den EU-Staaten nimmt Schweden die Spitzenposition bezüglich der Reduktion von CO2-Emissionen im Verkehrsbereich ein. Im Zeitraum 1990 bis 2017 sanken die Emissionen des schwedischen Straßenverkehrs um etwas mehr als 11 Prozent. Deutschland verzeichnete hingegen einen Anstieg um etwas mehr als 4 Prozent. Schweden hat als eines der ersten Länder weltweit bereits 1991 eine CO2-Steuer auf den Verkauf von Brenn- und Treibstoffen eingeführt und hat diese seither kontinuierlich erhöht. Heute hat Schweden nicht nur die weltweit höchsten Steuersätze auf den CO2-Ausstoß, sondern auch sichtbare Erfolge bei der Reduktion der Emissionen vorzuweisen. Dabei war die zeitgleiche Verfügbarkeit emissionsarmer Alternativen in Form von Biokraftstoffen und deren Befreiung von der Besteuerung für eine merkliche Reduktion der Emissionen mit entscheidend, zu der der Straßengüterverkehr maßgeblich beitrug.
Kultur und kulturelle Bedeutung des Straßenverkehrs in Schweden
Unsere individuellen Beobachtungen zum schwedischen Straßenverkehr sowie die soziale und funktionale Passung schwedischer Straßen-Verkehrsvorschriften lassen sich besser verstehen, wenn wir die schwedische Kultur insgesamt mit einbeziehen.
Was im schwedischen Straßenverkehr sofort auffällt ist die Disziplin der (meisten) schwedischen Autofahrenden kombiniert mit Höflichkeit, Achtung und Zuvorkommenheit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern.
Umgekehrt reagieren die Schweden recht ungehalten gegenüber rüpelhaften Verhaltensweisen und Vorteilsnahme auf Kosten anderer. So mögen sie es z.B. überhaupt nicht, wenn man sich nicht strikt an das Reißverschlusssystem hält und dabei an anderen Fahrzeugen auf der Zielspur vorbeifährt. Dies quittieren sie dann nicht selten damit, dass man dann nicht in die Zielspur hineingelassen wird.
Dieses Beispiel aus dem Straßenverkehr verdeutlicht eine Eigenart der schwedischen Kultur, die das Kollektiv gegenüber dem Individuum betont.
Die Schweden (und andere Skandinavier) zelebrieren ihr gesellschaftliches Miteinander auf eine Weise, die den positiven Umgang miteinander und die Wahrung sozialer Kontakte positiv hervorhebt und fördert. Im Vordergrund ihres Handelns steht nicht der eigene Anspruch, der Beste sein zu wollen und sich individuelle Vorteile zu verschaffen, sondern das Voranbringen der gemeinsamen Sache, des Projekts, der Gemeinschaft.
Um dies besser zu verstehen sind zwei schwedische Begriffe von Bedeutung: Lagom und Jantelagen, die wir im folgenden kurz erläutern.
Das Wort lagom gibt es nur im Schwedischen und ist typisch für viele Verhaltensweisen. Lagom bildet oftmals eine geeignete Richtschnur für moderate, gelassene und nicht übertriebene Handlungsweisen der Schweden. Lagom bedeutet so viel wie „gerade richtig“, eben nicht zu viel und nicht zu wenig, die ideale Balance, der Mittelweg, Ausgewogenheit und/oder Konsens. Angeblich geht der Ausdruck auf den Vorgang eines herumgehenden Trinkhorns oder Bechers zurück, der genau so viel enthalten soll, dass jeder in der Runde einmal und gleich viel davon trinken kann. Hierin drückt sich die gleichberechtigte Teilhabe, gegenseitige Achtung und Fairness der Individuen eines Kollektivs aus, die sich in vielen Verhaltensweisen schwedischer Bürger widerspiegelt.
Ein Beispiel für lagom, was uns überraschte: In Deutschland sind wir es gewohnt, unsere voraussichtliche Parkdauer einzuschätzen und ein entsprechendes Parkticket zu lösen – auch wenn wir vielleicht viel früher den Parkplatz verlassen. Hingegen erlauben schwedische Parkautomaten die wir nutzten eine Rückerstattung zu viel gezahlter Parkgebühren bei vorzeitiger Abfahrt – jeder zahlt also lagom, nicht zu viel, nicht zu wenig, gerade richtig.
Jantelagen oder das Gesetz von Jante beschreibt ein gesellschaftliches Miteinander, das davon lebt, dass sich niemand über den anderen erhebt. Es geht auf den Roman „Ein Flüchtling kreuzt seine Spur“ von Aksel Sandemose (1933) zurück, indem er die Regeln des Zusammenlebens der Bürger der fiktiven Stadt Jante beschreibt. Der Satz:
„Du sollst nicht glauben, dass du etwas besseres bist.“
bringt diesen Verhaltenskodex treffend auf den Punkt.
Die Schweden fühlen sich immer auf einer Ebene. Keiner misst sich mit einem Anderen. Man möchte nicht, dass sich das Gegenüber schlecht oder untergeordnet fühlt. Niemand erhält hämische Blicke. Kein Neid. Kein Protzen. Keine Angeber. Keine bösen Blicke. Keine Überheblichkeit. Alle sind gleich.
Diese Haltung spiegelt sich in den heutigen Verhaltensweisen der schwedischen Bevölkerung wider und zieht sich wie ein roter Faden durch alle Lebensbereiche der Schweden – und dies zeigt sich auch im Straßenverkehr.
Unsere Gedanken und Gefühle zum schwedischen Straßenverkehr
Was denken und empfinden wir (als deutsche Touristen und Individuen) in Bezug auf den schwedischen Straßenverkehr? Welche Gefühle verbinden wir damit?
In einem Satz zusammengefasst: Wir können uns sehr gut an die schwedischen Straßenverhältnisse gewöhnen. Und dies aus vielerlei Gründen:
- Unsere ersten Erfahrungen mit dem schwedischen Straßenverkehr wirkten auf uns zunächst fremd aber sehr charmant und erfrischend anders als gewohnt.
- Wir fühlten uns als Verkehrsteilnehmer mit einem 6 m langen Wohnmobil schnell willkommen und waren sehr dankbar für die uns entgegengebrachte Achtsamkeit, Wertschätzung und Hilfsbereitschaft – die wir in Deutschland oft nicht erleben.
- Die überall angebrachten Tempolimits nahmen uns die unbewusste Sorge von anderen Verkehrsteilnehmern gehetzt zu werden oder als lästiges Ärgernis wahrgenommen zu werden. Stattdessen fühlte es sich gut an, mit dem relativ einheitlichen Tempo des Verkehrsflusses mitzufließen.
- Die überall im Straßenverkehr wirkende Gelassenheit, Rücksicht und Besonnenheit der schwedischen Verkehrsteilnehmer färbte schnell auf uns ab und beeinflusste unseren eigenen Fahrstil positiv.
- Unsere eigene Aufmerksamkeit lenkte und intensivierte sich auf andere Verkehrsteilnehmer und ihre Bedürfnisse. Wir konnten uns ohne Mühe noch leichter in die Situation anderer hineinversetzen (was uns zugegebenermaßen ohnehin leicht fällt).
- Trotz der teilweise langen Fahrten setzte eine anhaltende Entspannung ein. Die im deutschen Straßenverkehr üblichen Nackenschmerzen und Verspannungen blieben aus.
- Zusammengenommen führte dies zu mehr freien Kapazitäten für das, was um uns herum geschieht. Wir konnten das Straßengeschehen und auch die umliegende Landschaft mehr und besser beobachten.
- Wir hatten viel Freude und Spass am Cruisen – also daran, mit gleichbleibender, langsamer Geschwindigkeit in der Gegend herumzufahren, oft ohne ein bestimmtes Ziel anzustreben, mit unserer Aufmerksamkeit ganz im Hier und Jetzt zu sein. Uns unbekannte Wege entlangzufahren und uns an den vielen Überraschungen zu erfreuen, die uns dabei begegneten.
- Und wir hatten auch viel Freude an den herzlichen Begegnungen mit schwedischen Mitmenschen, die immer von einer gegenseitigen Offenheit und angenehmen Neugier geprägt waren.
- Alles in allem konnten wir uns auf unserer Wohnmobil-Reise in Schweden – trotz der vielen Kilometer – schnell und nachhaltig erholen.
Was wir uns für den deutschen Straßenverkehr wünschen
Zunächst einmal vorab: Im deutschen Straßenverkehr ist schon vieles ganz gut. Und Deutschland hat bewährte Praktiken der Schweden an vielen Stellen bereits übernommen. Die zunehmende Zahl von Kreisverkehren sowie die Aufnahme einer „Vision Zero“ in die Straßenverkehrsordnung sind nur zwei Beispiele von vielen.
Dennoch gibt es noch viel Verbesserungspotenzial.
Allem voran wünschen wir uns ein anderes Menschenbild im deutschen Straßenverkehr. Eines, das weniger von der Theorie X – der Mensch ist unwillig und entsprechend unmündig – und mehr von der Theorie Y geprägt ist: der Mensch engagiert sich und ist entsprechend mündig. Wie es Anders Wiman sagte: „ein guter Mensch, der Hilfe braucht, um das Richtige zu tun“. Ein Umdenken kann dabei helfen, aus dem die eigene Hilflosigkeit fördernden Lass-dich-nicht-erwischen-Spiel auszusteigen, und statt Verboten mit Sanktionen mehr zu einem selbstwirksamen Du-triffst-informierte-Entscheidungen-Spiel zu gelangen. Erwünschte Verhaltensweisen können durch verschiedene Nudging-Strategien gefördert werden z.B. durch Radartafeln, die die Geschwindigkeit messen und ein direktes Feedback geben, durch Ampeln, die die Wartezeit herunterzählen, durch Hinweisschilder für stationäre Blitzanlagen (siehe Schweden) oder bevorstehende Tempolimits (unterstützt ein rechtzeitiges Reduzieren der Geschwindigkeit sehr) oder Fahrassistenzsysteme, z.B. Navis die auf Tempolimits hinweisen.
Zweitens wünschen wir uns klare und strikte Tempolimits nach schwedischem Vorbild: max. 120 km/h auf Autobahnen, max. 80 km/h auf Landstraßen, max. 50 km/h in Ortschaften, je nach Situation auch max. 30-40 km/h. Das reicht, ist lagom, wie die Schweden sagen würden. Zahlreiche Studien haben wiederholt belegt, dass Tempolimits den Verkehrsfluss verbessern, die Unfallgefahr und die Zahl der Verkehrstoten und Verletzten reduzieren, den Stress der am Verkehr Beteiligten senken und die Umwelt weniger belasten (Lärm, Abgase etc.). Nun ist es endlich Zeit diese Erkenntnisse umzusetzen. Ein Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen könnte die CO2-Emissionen um ein bis zwei Millionen Tonnen jährlich reduzieren – ein von 120 km/h hätte sogar einen doppelt so hohen Effekt.
Zudem wünschen wir uns eine Rückbesinnung und stärkere Ausrichtung des deutschen Straßenverkehrs an der Straßenverkehrsordnung, die in § 1 die Verkehrssicherheit zum obersten Ziel erklärt und eine „Vision Zero“ zur „Grundlage aller verkehrlichen Maßnahmen bestimmt“. Der Alltag auf deutschen Straßen schafft viele Situationen, die diesem Anspruch direkt entgegenstehen und den Eindruck erwecken, die Straßenverkehrsordnung habe lediglich unverbindlichen Empfehlungscharakter – und könne von den Verkehrsteilnehmern nach eigenem Gusto ausgelegt werden.
Ein Blick in die deutsche Unfallstatistik zeigt, wie weit Anspruch und Wirklichkeit heute noch auseinander klaffen. Die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in ihrem Verkehrssicherheitsprogramm 2011 formulierten Ziele, die Zahl der Verkehrstoten bis 2020 um 40 Prozent sowie die der Schwerverletzten „erheblich“ zu reduzieren wurden weit verfehlt. Die tatsächliche Reduktion von 24 Prozent wurde den Bürgern angesichts eines steigenden Verkehrsaufkommens als „beachtlicher Erfolg“ verkauft. Obwohl die Unfallursachen seit langem bekannt sind, sterben immer noch zu viele Menschen auf deutschen Straßen. Die Top 10 der Unfallursachen: Abkommen von der Fahrbahn, überhöhte Geschwindigkeit (z.B. in Kurven), Fehler beim Überholen, zu dichtes Auffahren, Missachten der Vorfahrt, plötzliche Spurwechsel, unangepasste Geschwindigkeit, Unaufmerksamkeit (z.B. Handy am Steuer), Abkommen auf den unbefestigten Seitenstreifen oder ins Schleudern geraten. Den meisten Unfällen gehen oft eine Fehleinschätzung der Situation, technisches Versagen oder der absichtliche oder unabsichtliche Verstoß gegen eine Verkehrsregel voraus. Hier wünschen wir uns, dass die erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit schneller und wirksamer umgesetzt werden. Schweden liefert hierzu vorbildhafte Maßnahmenbeispiele.
In diesem Zusammenhang wünschen wir uns mehr verlässliche Ansagen, z.B. zu bevorstehenden Tempolimits oder Blitzanlagen wie in Schweden – und zugleich stärkere Sanktionen für Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung. Diese Wünsche stehen nur scheinbar im Widerspruch zu unserem Menschenbild von mündigen Verkehrsteilnehmern. Wenn ich weiß was ich tue – z.B. bewusst gegen eine Verkehrsregel verstoße – kann ich tun was ich will, bin mir aber zugleich bewusst, die daraus resultierenden Konsequenzen uneingeschränkt selbst zu tragen, dass mir also die volle Rechnung präsentiert werden könnte. Dies wäre ganz im Sinne eines mündigen Verkehrsteilnehmers und eines Du-triffst-informierte-Entscheidungen-Spiels, sozusagen mit Ansage. Dazu gehören entsprechend einerseits rechtzeitige und verlässliche Warnhinweise („Achtung Radarkontrolle“) und zugleich deutlich spürbare Sanktionen bei Verstößen (z.B. empfindliche Bußgelder, Fahrverbote etc.) mit geringen Aussichten, gegen diese juristisch erfolgreich vorzugehen.
Wir wünschen uns zudem, dass die seit langem diskutierte Verkehrswende sich nicht vorrangig mit urbanen Verkehrsproblemen widmet, sondern bewusst – bestenfalls gleichrangig – auch die Verkehrssicherheit und Mobilität im ländlichen Verkehrsraum verbessert und so eine ausreichende Daseinsvorsorge und soziale Teilhabe der ländlichen Bevölkerung sicherstellt. Dazu zählen wir deutlich bessere ÖPNV-Angebote, ein engmaschiges Netz aus Rad- und Fußwegen zwischen Ortschaften, breitere Seitenstreifen für Radfahrer und Fußgänger auf wenig befahrenen Landstraßen, gut sichtbare und ggf. spürbare Fahrbahnmarkierungen (gerillte Mittel- und Randstreifen) und insgesamt baulich gut erhaltene oder erneuerte Straßen.
Wir wünschen uns insgesamt weniger Einfluss der Autolobby auf die deutschen Regierungen und die Gesetzgebungsverfahren. Dazu zählen wir u.a. ein gesetzlich verankertes, wirksames und verpflichtendes Lobbyregister, eine konsequente Entflechtung zwischen öffentlichen Ämtern und Lobbyarbeit (Drehtür-Karrieren), strenge und verbindliche Regeln für Abgeordnete sowie die Schaffung breiter und innovativer Beteiligungsformate unter Einbezug der Umwelt- und Verbraucherverbände und diverser anderer Interessengruppen.
Und – last but not least – wünschen wir uns mehr Achtsamkeit, Rücksichtnahme und Höflichkeit der Verkehrsteilnehmenden – Tugenden, die wir wieder mehr kultivieren sollten. Und die wir alle einfach praktizieren können indem wir anderen Verkehrsteilnehmern achtsamer und zuvorkommender begegnen, z.B. die gesetzlichen Mindest-Sicherheitsabstände beim Passieren von Fahrradfahrern und Fussgängern einhalten.
Was du einfach tun kannst…
Vielleicht hast du nun auch Lust auf einen Schweden-Urlaub bekommen. Vielleicht hat dich unser Artikel auch inspiriert, den dich umgebenden Straßenverkehr – egal ob in Schweden, Deutschland oder anderswo – genauer und auch aus anderen als deiner üblichen Perspektive zu betrachten. Und vielleicht hast du auch den Wert einer Quadrivia als Methode schätzen gelernt. All dies würde uns sehr freuen.
Wenn du unsere Einschätzungen und Wünsche bezüglich des deutschen Straßenverkehrs teilst und unsere Erkenntnisse gerne praktisch umsetzen möchtest, haben wir hierzu ein paar Ideen:
- Fahre wie ein Schwede / eine Schwedin – eine schöne inspirierende Praxis für deine nächsten Fahrten mit dem Auto oder einem anderen Gefährt: Versetze dich in die Haltung einer Schwedin bzw. eine Schweden, nimm auf dem Fahrersitz platz und betrachte mit ihren/seinen Augen das Straßengeschehen während du dich fortbewegst. Nimm die innere Ruhe und schwedische Gelassenheit in dir wahr und mache dir innerlich das Gesetz von Jante bewusst („Ich glaube nicht, dass ich etwas besseres bin“). Beachte die Regeln des Straßenverkehrs (fahre z.B. exakt die vorgegebene Geschwindigkeit), sei umsichtig und zuvorkommend zu anderen Verkehrsteilnehmern und freue dich daran, wenn diese deine Hilfsbereitschaft bemerken und freundlich erwidern (störe dich nicht daran, wenn sie diese nicht erwidern, sie können dann halt nicht anders). Bleibe stoisch gelassen gegenüber hektischen und genervten Verkehrsteilnehmern und lasse dich von ihrer Stimmung nicht anstecken. Genieße dein Mitfließen in dem dich umgebenden Verkehr und bleibe ganz im Hier und Jetzt. Lächle.
- Spiele häufiger das Du-triffst-informierte-Entscheidungen-Spiel – dieses Spiel kannst du nicht nur im Straßenverkehr sondern in allen möglichen Situationen deines Lebens und Alltags spielen. Es geht darum dich ausreichend kundig zu machen, bevor du dich wissentlich in eine dir neuartige oder unsichere Situation begibst. Wie es der Polarforscher Arved Fuchs einmal sagte: „Sich in Gefahr zu begeben und dabei umzukommen, das kann jeder Dummkopf, da gehört nichts dazu. Es geht mir darum, das kalkulierbare Risiko in den Griff zu bekommen.“ Heute gibt es tolle Informationen, Do-it-yourself-Videos oder spannende Podcasts im Internet – zu fast jedem erdenklichen Thema. Mache dich vorher schlau, die Recherche spart dir letztlich viel Zeit, Geld und Nerven. Und sie bewahrt dich vor vielen vermeidbaren „Ent-Täuschungen“ – deren Grundlage stets vorausgegangene Täuschungen sind. Mache einen Reality Check und lass dich nicht von den Umständen überrumpeln und in eine Ohnmachtshaltung drängen (zumindest wenn du dies mit vertretbarem Aufwand vermeiden kannst) – du hättest es besser wissen können.
- Gib das Lass-dich-nicht-erwischen-Spiel auf – denn dieses Spiel ist destruktiv. Es erzeugt nur (vermeidbaren) Stress und schadet letztlich deinen Beziehungen und der Gemeinschaft, von deren Teilhabe du als Mitglied in vielerlei Hinsicht profitierst und von deren Gunst dein Wohl mitbestimmt wird. Befreie dich von der Idee, die Bedeutung von Freiheit bestünde darin, frei von den Konventionen und Regeln deiner Umwelt zu sein/werden – und erkenne, dass Freiheit auch darin bestehen kann, sich bewusst auf die Konventionen und Regeln deiner Umwelt einzulassen.
- Kultiviere Achtsamkeit, Höflichkeit und zuvorkommendes Verhalten – jedes soziale Feld (Arbeitsplatz, Verkehr, Sportverein etc.) wird durch unsichtbare Verhaltensregeln geprägt. Und der Straßenverkehr ist ein hervorragendes Übungsfeld! Zeige den anderen Verkehrsbeteiligten, dass du diese Regeln kennst und achtest, dies wird dir das Mitspielen im Straßenverkehr erleichtern. Übe dich in Achtsamkeit, um die Stimmungen, Wünsche, Hoffnungen und Sorgen der anderen Verkehrsbeteiligten wahrzunehmen und sorge dich um ihr Wohl, indem du sie mit freundlichem Respekt behandelst. Sie werden es dir danken.
- Nutze die Quadrivia für unübersichtliche Themen oder Situationen – am Beispiel unseres schwedischen Reiseberichts konntest du einen Eindruck von der Wirkung dieser Methode gewinnen. Eine Quadrivia hilft dir dabei, deine Gedanken, Gefühle und Beobachtungen systematisch zu strukturieren und so ein ganzheitliche(re)s Bild aus vier grundlegend verschiedenen Perspektiven zusammenzufügen. Die Quadrivia hilft dir dabei jedes beliebige Thema systematisch zu durchdringen und so mehr Verständnis über die Wechselwirkungen unserer komplex-chaotischen Welt zu erlangen.
- Beschäftige dich mit dem Integralen Ansatz von Ken Wilber – die hier am Beispiel eines Reiseberichts angewendete Quadrivia berührt nur eine von insgesamt fünf Dimensionen der integralen Landkarte, die uns dazu dienen die Wirklichkeit vollumfassend zu verstehen und zu beschreien. Neben den hier angewandten so genannten Quadranten, gibt es noch Strukturstufen, Entwicklungslinien, Typen und Bewusstseinszutsände, die unser Erleben der Wirklichkeit bestimmen. Der Integrale Ansatz von Ken Wilber charakterisiert diese fünf Dimensionen und bietet somit einen einzigartigen, pragmatischen und psycho-aktiven Zugang zur Wirklichkeit. Einen guten Einstieg findest du in unserem Blog-Beitrag „Die Integrale Landkarte“ oder in unserem Artikel „Was ist »integral«?“. Falls du mehr darüber erfahren möchtest, besuche gerne ein Event, unsere Integralen Workshops oder Ausbildungen.
Also – wir hoffen, dich bald mal persönlich kennen zu lernen oder dich wiederzusehen.
Hejdå – wir freuen uns auf dich!
Quellen
Lindberg, Hanna (2017): Vision Zero 20 years: How dreams become reality. ÅF.
McGregor, Douglas (2006): The Human Side of Enterprise. Annotated Edition. McGraw-Hill, New York.
Puls, Thomas; Schaefer, Thilo (2019): CO2-Reduktion im Verkehr: Was kann Deutschland von Schweden lernen?, IW-Policy Paper, No. 8/2019, Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Köln.
Statistisches Bundesamt (2022): Verkehrsunfälle. Fachserie 8 Reihe 7.
Thaler, Richard H. et al. (2010): Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt. 17. Auflage. Ullstein, Berlin.
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www.wikipedia.de