Praxisübungen

Finde heraus, wer du wirklich bist

„Erkenne dich selbst“

Diese berühmte Inschrift am Eingang des Apollontempels erinnerte die Besucher des Orakels von Delphi daran, ihre eigene innere Persönlichkeit selbst zu ergründen, um auf dieser Grundlage Lösungen für individuelle Probleme, Fragestellungen und Herausforderungen in der Außenwelt zu finden.

Doch wer bist du? Was weißt du von dir und über dich jenseits der üblichen Attribute wie Name, den deine Eltern dir gaben, Alter, Geschlecht, Augenfarbe etc.? Wer ist wirklich anwesend und lebendig, jenseits deiner biografischen Geschichte, deiner Stories, die du dir selbst, deinen Freunden und anderen Mitmenschen erzählst?

Wer bist du jenseits deiner Stories?

Ein guter Ausgangspunkt, dich selbst zu erforschen, ist wahrzunehmen, was sich jetzt in diesem Augenblick in deinem Kopf abspielt. Die folgende Anleitung hilft dir als eine Art Navigationsgerät dabei, auf der Spur zu bleiben und dich so mehr auf das innere Erleben zu konzentrieren. Mache dazu geeignete Pausen beim Lesen, um mit deiner Innenwelt in Kontakt zu kommen. Also Anschnallen, nun es geht los.

Setze dich an einen ruhigen Ort und beobachte deinen Atem. Wenn du magst, schließe die Augen (und bitte dann jemanden dir diesen Text vorzulesen).

Mache dir bewusst, welche Gefühle mit den Stories verbunden sind, die gerade in deinem Kopf präsent sind. Stories über deinen Beruf, dein Leben oder deine Beziehungen, über Lebensfragen oder Alltagssituationen. Vielleicht handeln sie von Selbstmitleid oder von Dankbarkeit, von Ängsten, Hoffnungen, Freude oder von Liebe.

Stories sind nicht die Realität

Wähle nun von allen Stories in deinem Gewahrsein jene Story aus, mit der du am leichtesten in Resonanz gehst, die du mühelos glauben kannst. Betrachte diese Story und mache dir dabei bewusst, dass es nur eine Story ist – eine mentale Schleife, die sich in deinem Kopf abspielt.

Obwohl du vielleicht in deinem Leben vor oder mitten in einer großen Herausforderung stehst, sind die Gedanken, die dazu in deinem Kopf kreisen, nicht wirklich hilfreich oder gar notwendig. Tatsächlich lähmen sie dich eher und lenken dich davon ab, zu erkennen was wirklich der Fall ist und was du selbst wirksam unternehmen kannst.

Die Stories, die wir erschaffen, sind wie ein Film, in dem wir uns mittendrin befinden. Und in Wirklichkeit ist ein Film nicht real. Sobald wir aus dem Film, den wir uns gerade ansehen, heraustreten, verliert er seine Wirkung auf uns. 

Räume deine Stories aus dem Weg

Und wenn du erst einmal erkannt hast, dass die Story nur eine Story ist und nicht die Realität, beherrscht sie dich nicht mehr.

Stell dir nun vor, du verstaust diesen Film, diese Story, in der du dich befindest, in eine große Box und stellst diese Box auf ein Regal in deiner Nähe ab. Stell dir dies jetzt vor.

Diese Box bewahrt deine Story sicher auf während du erforschst, was außerhalb dieser Story passiert. Wenn du willst, kannst deine Story später aus der Box zurückholen, aber im Moment – von dieser Story befreit – gibt es etwas mehr Platz in deinem Kopf. Nimm wahr, dass du dich jetzt, wo die Story sicher verstaut ist, etwas gelassener oder befreiter fühlst.

Vielleicht taucht jetzt eine andere Story auf. Vielleicht eine subtilere Story, wie z.B. was du heute zu tun hast. Stell dir vor, diese und jede neue Story, die auftaucht, hat eine bestimmte Form und Gestalt. Und sie darf deinen Kopf verlassen, indem sie aufsteigt und ebenfalls in die Box auf dem Regal in deiner Nähe gelangt.

Mache dir immer wieder bewusst: Jedes Mal wenn dich eine Story verlässt, fühlst du dich ein wenig leichter, ein wenig freier und es entsteht mehr Raum in dir.

Deine Story über Vergangenheit und Zukunft

Schließlich gibt es Stories, die so subtil oder so allgegenwärtig sind, dass wir sie garnicht als Story erkennen. Sie sind und bleiben wie das Wasser für einen Fisch unsichtbar für uns.

Eine dieser sehr subtilen Stories ist die Story, die wir über die Zeit haben. Die Story, die wir uns über die Zeit erzählen, ist, dass wir uns auf einer Art Zeitachse befinden, die von der Vergangenheit in die Zukunft führt. Aber in unserer direkten, unmittelbaren Erfahrung sind wir immer nur im gegenwärtigen Moment, im Jetzt. Selbst wenn wir uns an Vergangenes erinnern oder über die Zukunft nachdenken, tun wir dies immer im jetzigen Moment. Und die Zukunft ist nicht vorherbestimmt.

Stell dir vor, die Story, die du von der Bewegung durch die Zeit erfindest, verlässt ebenfalls deinen Kopf und verschwindet zur sicheren Aufbewahrung in der Box auf dem Regal in deiner Nähe.

Was übrig bleibt ist einfach jetzt hier zu sein. Ohne Vergangenheit oder Zukunft erlebst du den ewigen Strom kontinuierlicher Jetzt-Momente.

Nun sind die Story der Zeit sowie alle anderen Stories, die du in deinem Kopf hattest, sicher und geschützt in dieser Box in einem Regal in deiner Nähe verstaut. Davon frei, kannst du nun vollständig in den Strom der Jetzt-Momente eintreten. Sogar die Story, dass sich dein getrenntes Ego durch die Zeit bewegt, kann wegfallen. Was übrig bleibt ist reines Gewahrsein von Jetzt und Sein.

Tauche ein in den Ozean reinen Gewahrseins

Gedanken und Emotionen dürfen weiterhin vorbeiziehen. Aber anstatt dich darin zu verlieren, lässt du sie sanft gehen, wenn du dich mit dem Ozean des reinen Bewusstseins identifizierst.

Du bist in einem Ozean reinen Gewahrseins – du selbst bist dieser Ozean reinen Gewahrseins.

Im Strom der Jetzt-Momente, in dem du dich befindest, bist du dir deiner Gedanken und Emotionen bewusst. Aber weil du dich in deiner Story nicht mehr verlierst, können sie wie Teflon von dir abrutschen. Sie müssen nicht mehr an dir haften und irgendeine Reaktion hervorrufen.

Ohne Zukunft gibt es keinen Grund zu wissen, was etwas bedeutet, keinen Grund etwas zu beurteilen.

In diesem Jetzt-Strom, in dem du bist, kannst du völlig unschuldig jedes neue Gefühl und jede neue Empfindung auf eine völlig neue Art und Weise erleben.

Es ist, wie es ist – es gibt nichts zu tun

Erlaube einfach, dass alles genau so ist, wie es ist. Vollkommene Unschuld an den Gedanken, Schwingungen und Empfindungen, die du jetzt erlebst.

Ein Teil von dir kann sich an diesem Ort der vollkommenen Akzeptanz und des Begrüßens voll entfalten und einfach sein. Sei einfach.

Genieße das Gefühl, nichts zu tun. Keine Probleme zu lösen. Keine Story zu glauben.

Anfängergeist

Entspanne dich in das Gefühl dieses frischen, unberührten Bewusstseins – Moment für Moment. Wie ein Neugeborenes die Welt erlebt. Völlig frisch und unschuldig in jedem Moment.

Falls du aktuell die Augen geschlossen hast, bitte ich dich in einem Moment sehr langsam die Augen zu öffnen, damit du die Welt mit völlig neuen, unschuldigen Augen erleben kannst, als wärest du hier auf dem Planeten Erde gerade angekommen. Nimm dir Zeit, dies jetzt zu tun.

Während du langsam beginnst, die Formen um dich herum wahrzunehmen, betrachte sie als ob du sie zum ersten Mal siehst.

Beginne, deinen Körper wie ein Neugeborenes zu bewegen, als ob du deinen Körper zum ersten Mal selbst bewusst bewegen würdest. Bestaune dieses Körper-Instrument, über dass du die Kontrolle hast.

Während du deinen Körper oder deine Augen bewegst, um dich umzusehen, werde dir des Hintergrunds deiner Erfahrung bewusst. Der Sache, die Erfahrung überhaupt möglich macht – deines Gewahrseins. Erhalte eine Verbindung zu dem Ort dieser Wesenhaftigkeit in dir, ein klares Fenster zum gegenwärtigen Moment.

Schließlich – wenn du bereit bist – trete langsam in dein Leben ein und halte deine Verbindung zum Gewahrsein aufrecht. Und genieße den Rest des Tages. Deines Tages.

Falls du mehr über den Integralen Ansatz erfahren möchtest, findest du ausführliche Informationen dazu in unserem Artikel „Was ist »integral«?“.

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